Seit fast 10 Jahren streiten Krankenkassen und Krankenhausträger vor Gericht wegen Umsatzsteuererstattungsansprüchen für patientenindividuell hergestellte Zubereitungen (insb. sog. „Zytostatika“), in den letzten Jahren auch zur ambulanten Abgabe von sog. „Fertigarzneimitteln“.
Schlimmstenfalls hätten vielen Krankenhausträgern Rückforderungen der Kassen in 9-stelliger oder gar 10-stelliger Höhe gedroht - die Existenz dieser Krankenhausträger wäre gefährdet gewesen und auch die ambulante Arzneimittelversorgung in weiten Teilen des Landes wäre zusammengebrochen. Mit einem richtungsweisenden Urteil des Bundessozialgerichts (BSG), an dem BDO gemeinsam mit der Kanzlei Vierhaus auf Mandantenseite maßgeblich beteiligt war, ist diese Gefahr nun vorerst gebannt.
„Mit diesem Urteil zur Auslegung der Vergütungsabreden in Bezug auf mögliche Erstattungsansprüche gibt es endlich eine gewisse Sicherheit für Krankenhausträger“, freut sich Manuel Biehler, Rechtsanwalt bei BDO Legal, der das Revisionsverfahren auf Seite der Krankenhausträger gemeinsam mit der Kanzlei Vierhaus begleitet hat. „Neben dieser Frage hat das BSG aber noch viel weitreichender entschieden, nämlich zur Wirksamkeit der Vergütungsabreden insgesamt, wenn bei der Verhandlung der Verträge ausschließlich Verbände beteiligt waren und Krankenhausträger diesem Verhandlungsergebnis auf Verbandsebene lediglich „beitreten“.
So konnten nun erfreulicherweise die regelrechten „Horror-Szenarien“ massiver Rückforderungen der Kassen und eines Zusammenbruchs der ambulanten Arzneimittelversorgung in Deutschland abgewendet werden. Darüber hinaus bezeichnete der Erste Senat die im Rahmen des Verfahrens geäußerten Bedenken zu der (weit verbreiteten) „Beitritts-Lösung“ ausdrücklich als „Schuss vor den Bug“. Die Betroffenen dürften nicht davon ausgehen, dass derartige Vertragskonstellationen auch bei künftigen Revisionen weiterhin als wirksam angesehen würden.
„Im Gegensatz zur ersten Zytostatika-Entscheidung des BGH im Jahr 2019 fielen die aktuellen Entscheidungen des BSG („Zytostatika II“) deutlich krankenhausträgerfreundlicher – und damit im Interesse einer Versorgungssicherheit der Patienten in Deutschland aus“ sagt Biehler.
In der Sache bestätigte das BSG zudem die Rechtsprechung der Vorinstanzen, die die zugrundeliegenden Vergütungsabreden nach § 129a SGB V dahingehend ausgelegt hatten, dass die rückwirkende Anerkennung der Umsatzsteuerfreiheit der ambulanten Abgabe von patientenindividuellen Zubereitungen zwar Umsatzsteuererstattungen für die abgerechneten Zubereitungspauschalen bejaht hatten, nicht jedoch für die Arzneimittelvergütungen, als Ausgleich für den Verlust des Vorsteuerabzugsrechts für den Arzneimitteleinkauf. Rechtsanwalt und Steuerbarer Heinrich Vierhaus weist darauf hin: „Ohne Kompensation der nichtabzugsfähigen Vorsteuer aus dem Einkauf würde das Krankenhaus per se ein Verlustgeschäft machen.
Das BSG hat mit seiner Entscheidung die sachlich gerechtfertigte, aber nicht zuletzt auch praxisgerechte Auslegung der Vorinstanzen zur Kompensation der nichtabzugsfähigen Vorsteuer bestätigt.“ „Wir freuen uns daher, dass wir dieses wichtige Urteil für die deutsche Krankenhauslandschaft erstreiten konnten“, ergänzt Thorsten Hemmer, Geschäftsführer der beklagten Westpfalz-Klinikum GmbH.