Wie haben Behandler mit der Situation umzugehen, dass ein Patient aufgrund eines Notfalls nicht mehr in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen? Dabei geht es um unterschiedlichste Entscheidungen, sei es die Einwilligung in eine Behandlung, die Versagung einer solchen, die Wahl eines Pflegeheims oder die Vereinbarung einer Wahlleistung. Eine erst vor wenigen Monaten in Kraft getretene Regelung im Familienrecht soll hier für mehr Rechtssicherheit sorgen.
Obwohl die Grundsätze der Stellvertretung in medizinischen Notfällen in der Praxis mittlerweile größtenteils ohne Probleme umgesetzt werden, erreichen uns hin und wieder Nachfragen, wie Behandler mit der Situation umzugehen haben, wenn ein Patient aufgrund eines Notfalls nicht mehr in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen. Dabei geht es um unterschiedlichste Entscheidungen, sei es die Einwilligung in eine Behandlung, die Versagung einer solchen, die Wahl eines Pflegeheims oder die Vereinbarung einer Wahlleistung.
Stellvertretervereinbarung bei Notfallbehandlung
Im Zusammenhang mit Wahlleistungsvereinbarungen hat sich – insbesondere nach der gerichtlichen Bestätigung der Rechtswirksamkeit dieses Vorgehens durch das LG Bielefeld (Urteil vom 14.06.2019, Az. 4 O 21/18) - die Verfahrensweise etabliert, dass ein Krankenhausmitarbeiter den bewusstlosen Patienten bei Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung als Vertreter ohne Vertretungsmacht vertreten kann. Der Patient kann diese Vereinbarung nachträglich genehmigen und ihr somit zur Wirksamkeit verhelfen. Dabei schadet es auch nicht, dass die Aufklärung über die Wahlleistungsvereinbarung erst nach der Behandlung erfolgt.
Kann der Patient die Einwilligung zu jeglicher Notfallbehandlung nicht mehr erteilen, so ist nach § 630d Abs. 1 S. 2 BGB der mutmaßliche Wille entscheidend. Hierbei kommt es auf die subjektiv-individuellen und persönlichen Umstände des Patienten an.
§ 1358 BGB schließt eine Lücke, die lange für Unsicherheit sorgte
Seit dem 01.01.2023 gibt § 1358 BGB dem Ehegatten ein Stellvertretungsrecht für den Fall, dass der andere Ehegatte aufgrund einer Krankheit seine Angelegenheiten gegenüber Ärzten, Krankenhäusern oder Krankenkassen nicht mehr selbst regeln kann und keine Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und/oder Patientenverfügung vorliegt. Das Stellvertretungsrecht ist begrenzt auf Notfälle und gilt nur für Eheleute oder Menschen, die in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft leben.
Der Ehegatte, der den erkrankten Ehegatten vertritt, darf in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, in Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen oder diese untersagen. Er erhält hierfür die ärztlichen Aufklärungen, die der erkrankte Ehegatte selbst nicht entgegennehmen kann. Er darf sämtliche erforderlichen Verträge, wie zum Beispiel Behandlungsverträge abschließen. Er darf darüber hinaus über freiheitsentziehenden Maßnahmen im Krankenhaus oder im Heim entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme im Einzelfall 6 Wochen nicht überschreitet. Er darf Ansprüche des erkrankten Ehegatten geltend machen, die diesem aus Anlass einer Erkrankung gegenüber Dritten zustehen, z.B. gegenüber einem Schädiger. Ausnahmen gelten für die Fälle, dass die Ehepartner getrennt leben, dem Ehepartner oder dem Arzt bewusst ist, dass der betroffene keine Vertretung durch seinen Ehepartner wollte oder bereits einen Widerspruch im zentralen Vorsorgeregister eingereicht hat oder bereits eine andere Person als Betreuer/in bestimmt wurde.
In der Praxis zeigt die berechtigte Person das Ehegatten-Notvertretungsrecht dem Arzt an. Dieser hat dem Ehegatten, der den erkrankten Ehegatten vertritt, schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen des § 1358 BGB vorliegen. Diese schriftliche Bestätigung durch den Arzt muss auch eventuelle Ausschlussgründe enthalten. Der Arzt hat sich hierfür vom vertretenen Ehegatten schriftlich bestätigen zu lassen, dass das Vertretungsrecht bisher noch nicht ausgeübt wurde und kein Ausschlussgrund für das Ehegattenvertretungsrecht vorliegt.
Außerdem dokumentiert er den Zeitpunkt. Denn das Gesetz beschränkt die Dauer des Vertretungsrechts auf einen Zeitraum von 6 Monaten. Eine Verlängerung ist nicht möglich. Kann der Patient auch nach 6 Monaten noch nicht wieder selbst Entscheidungen treffen, so muss über das Betreuungsgericht eine Betreuung angeordnet werden.
Die Bescheinigung hat der Arzt dem vertretenden Ehegatten zur weiteren Ausübung des Vertretungsrechts zu übergeben. Dieses ist in der Folge bei allen Vertretungshandlungen im Bereich der Gesundheitssorge im Rahmen des Notvertretungsrechtes vorzulegen.
Trotz der gesetzlichen Regelung zum Ehegattenvertretungsrecht ist weiterhin ist eine Vorsorgevollmacht sinnvoll. Denn zum einen ist diese nicht auf 6 Monate beschränkt. Zum anderen kann nicht lediglich der Ehegatte, sondern jede beliebige Person eingesetzt werden. Darüber hinaus wird von der Vorsorgevollmacht nicht nur die Gesundheitssorge, sondern auch die Vermögenssorge umfasst.
Fazit
Das Notvertretungsrecht für Ehegatten schließt eine Lücke für die Fälle, in denen der Patient noch nicht anderweitig selbst vorgesorgt hat. Die gesetzlichen Voraussetzungen und Verfahrensweisen sind einzuhalten.
Rechtssicherheit – sowohl für Patienten, als auch für Behandler – schaffen weiterhin allerdings klare Regelungen und Anweisungen im Voraus, etwa durch eine Vorsorgevollmacht.
Gerne beraten wir Sie hierzu.