LSG Hamburg: ambulante Strahlentherapie darf als vom Krankenhaus veranlasste Leistung Dritter kodiert Werden

Mit Urteil vom 26.04.2022 (Az. B 1 KR 15/21 R) entschied das BSG, dass Krankenhäusern bei der Ausgliederung medizinischer Bereiche Grenzen gesetzt sind (s. dazu LEGAL NEWS GESUNDHEITSWIRTSCHAFT Nr. 5/2022 und BDO LEGAL INSIGHTS). Das Krankenhaus dürfe wesentliche der vom Versorgungsauftrag umfassten Leistungen (hier: Strahlentherapie) nicht regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagern, so das Gericht. Wesentlich seien dabei alle Leistungen, die in der ausgewiesenen Fachabteilung regelmäßig notwendig seien - mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen. Über einen – auf den ersten Blick – sehr ähnlich gelagerten Fall hatte jetzt das LSG Hamburg zu entscheiden (Urteil vom 23.06.2022, Az. L 1 KR 60/21), welches zu einem für die Krankenhausseite durchaus erfreulichen Ergebnis gelangte.

Der Fall

Streitig ist die Vergütung wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung einer bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Patientin, die im Jahr 2015 in der Klinik der Klägerin erfolgte. Bei der Klinik handelt es sich um ein Plankrankenhaus, das im Krankenhausplan 2015 der Freien und Hansestadt Hamburg mit einer Gesamtbettenzahl von 701, davon 243 im Fachgebiet Innere Medizin, ausgewiesen ist. Betten im Fachgebiet Strahlenheilkunde sah der Krankenhausplan für die Klinik nicht vor. Die Aufnahme der an Krebs erkrankten Versicherten erfolgte zur Durchführung einer medikamentösen Chemotherapie. Bereits 10 Tage vor Beginn des vollstationären Krankenhausaufenthaltes hatte sich die Patientin in ambulanter Strahlentherapie befunden, welche während der stationären Behandlung und auch danach fortgeführt wurde. Die Klägerin, deren Krankenhaus über keine Abteilung für Strahlentherapie verfügt, hatte dabei für die Dauer des Aufenthalts der Versicherten den jeweiligen Transport der Patientin zu und von den Behandlungsräumen der Strahlentherapie-Praxis organisiert und bezahlt. Die während des Krankenhausaufenthaltes erfolgten Behandlungen stellte die Strahlentherapie-Praxis dem Krankenhaus nach den Regularien der GOÄ in Rechnung, die Behandlungen vor und nach dem Krankenhausaufenthalt rechnete sie gegenüber der zuständigen KV ab.

Im Anschluss an die Entlassung der Versicherten stellte die Klägerin der Beklagten auf der Grundlage der Fallpauschale E08C (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane, ohne operativen Eingriff oder Beatmung (…)). nebst Zuschlägen insgesamt ca. 5000 € in Rechnung. Die Beklagte zahlte unter Zugrundelegung einer anderen DRG lediglich ca. die Hälfte des Rechnungsbetrages und argumentierte, dass die Fortführung der Bestrahlungen nicht von der Klägerin veranlasst worden sei, sondern die Verantwortung in den Händen der Praxis gelegen habe. Die Klägerin habe lediglich sichergestellt, dass die Versicherte die bereits feststehenden ambulanten Termine einhalten konnte. Da die Klägerin die Strahlentherapie mangels entsprechender Fachabteilung weder selbst durchgeführt noch veranlasst habe, könne sie diese bei der Kodierung nicht berücksichtigen. Die Klägerin klagte den Differenzbetrag nebst Zinsen vor dem Sozialgericht Hamburg ein und gewann. Die Berufung der Kostenträgerin wies das LSG Hamburg zurück.

Die Entscheidung

Bei den strahlentherapeutischen Behandlungen während des Krankenhausaufenthaltes habe es sich um vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG gehandelt. Dass die Behandlungen bereits vor Beginn der stationären Behandlung als vertragsärztliche Leistung begonnen worden waren, stehe dem nicht entgegen. Denn diese erfolgten während des stationären Aufenthalts unter der Gesamtverantwortung der Ärzte des Krankenhauses, die über deren Fortführung zu befinden, diese also zu veranlassen sowie innerhalb ihres Therapiekonzepts zu berücksichtigen hatten und gegebenenfalls auch hätten unterbrechen können. Alles andere liefe dem Verbot der vertragsärztlichen Parallelbehandlung während eines Krankenhausaufenthalts zuwider, dessen einzige Ausnahme die Fortführung von Dialysebehandlungen sei (§ 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KHEntgG). Die Strahlentherapie liege nicht außerhalb des Versorgungsauftrags der Klägerin für den Bereich Innere Medizin. Im Verhältnis zu der die Hauptbehandlungsleistung darstellenden Chemotherapie handele es sich jedoch nur um eine ergänzende Leistung. Die Einwände der Beklagten mit Blick auf das Urteil des BSG vom 26.04.2022 wies das Gericht zurück. Zum einen habe für das Krankenhaus kein ausdrücklicher Versorgungsauftrag Strahlentherapie standen, so dass keine Verpflichtung bestanden habe, die entsprechende Ausstattung vorzuhalten. Darüber hinaus seien derartige Leistungen im Krankenhaus der Klägerin nicht regelmäßig notwendig und seien nicht regelmäßig und planvoll auf Dritte ausgelagert worden.

Fazit

Das LSG Hamburg hat die Revision zum BSG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Verfahren ist dort unter dem Az. B 1 KR 18/22 anhängig. Es bleibt daher erst noch abzuwarten, ob die der Abgrenzung zu Grunde liegende Argumentation des LSG Hamburg „hält“.