Möchte ein Unfallversicherungsträger (z.B. BG) einen für ihn tätigen Durchgangsarzt in Regress nehmen, so hat er sich hierzu grundsätzlich an die Sozialgerichte zu wenden. Lediglich für bestimmte Ansprüche steht ihm der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen (BGH, Beschluss vom 09.01.2023, Az. VI ZB 80/20).
Der Fall
Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, der Beklagte zu 1 ein für sie tätiger Durchgangsarzt. Zwischen der Klägerin und dem D-Arzt bestand ein Vertrag nach § 34 Abs. 3 SGB VII über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistung. Die Klägerin nahm den Arzt und seinen Vertreter, den Beklagten zu 2, vor dem LG Münster auf Schadensersatz in Anspruch. Ein bei der Klägerin Versicherter hatte einen Arbeitsunfall erlitten und war nach Ansicht der Klägerin fehlerhaft behandelt worden. Aufgrund dessen seien ihr – der Klägerin – Mehraufwendungen entstanden (Heilbehandlungs- und Fahrtkosten, zu erstattende Entgeltfortzahlungen, Kosten der Ermittlung des Behandlungsfehlers). Mit Folgebehandlungen und weiteren Heilbehandlungskosten sei zu rechnen. Außerdem sei sie vom Versicherten auf Schadensersatz aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) in Anspruch genommen worden und habe an diesen im Vergleichswege einen Betrag zur Abgeltung aller Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gezahlt. Diesen Betrag forderte die Klägerin im Wege des Regresses ein. Das LG Münster hielt nur hinsichtlich des letztgenannten Anspruchs den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben und verwies den Rechtsstreit daher im Übrigen an das Sozialgericht Münster. Die Beschwerde der Klägerin führte vor dem OLG Hamm nicht zum Erfolg. Nun hatte der BGH über die erneute Beschwerde der Klägerin zu entscheiden.
Die Entscheidung
Der BGH bestätigte die Zuständigkeit der Sozialgerichte weitestgehend. Bzgl. des Anspruchs auf Schadensersatz wegen der Erstattung von Entgeltfortzahlungen sieht er die ordentlichen Gerichte zuständig. Der Sozialrechtsweg ergebe sich aus § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Bei der Klage handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich sei, richte sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem sich der eingeklagte Anspruch ergeben soll. Hier ergebe sich der Anspruch aus dem Vertrag zwischen der Unfallversicherungsträgerin und dem D-Arzt, der einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs. S. 1 SGB X darstelle. Für alle Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen sei grundsätzlich der Rechtsweg zum jeweils zuständigen Zweig der Verwaltungsgerichtsbarkeit – hier: Sozialgerichtsbarkeit – gegeben. Die ordentlichen Gerichte seien auch nicht kraft einer Sonderzuweisung gemäß Art. 34 Satz 3 GG zuständig. Zwar darf nach dieser Norm der ordentliche Rechtsweg für den Anspruch auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung und für den Rückgriff nicht ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff in diesem Sinne liege laut BGH jedoch nur dann vor, wenn der öffentlich-rechtliche Dienstherr den Regressanspruch darauf stützt, dass er aufgrund eines auf § 839 BGB (Amtshaftung) gestützten Schadenersatzanspruches Leistungen an einen Dritten erbracht und dadurch einen - mittelbaren – Schaden (Haftungsschaden) erlitten hat. Diese Voraussetzungen seien hinsichtlich der geltend gemachten Mehraufwendungen – mit Ausnahme der beanspruchten Erstattung der Entgeltfortzahlung - hier nicht gegeben. Insoweit liege vielmehr ein unmittelbarer Schaden vor.
Die Teilverweisung widerspreche auch nicht § 17 Abs. 2 S. 1 GVG, wonach das Gericht des zulässigen Rechtswegs unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten entscheidet. Denn die Norm setze einen einheitlichen Streitgegenstand voraus. Die Mehraufwendungen und die im Vergleichswege gezahlte Abfindung (für die das LG Münster zuständig blieb) stellen nach Ansicht des BGH in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht eigenständige Schadenspositionen und damit unterschiedliche Streitgegenstände dar. Die Gefahr, dass die Tätigkeit des D-Arztes von den jeweils zuständigen Gerichten unterschiedlich beurteilt werde, sei hinzunehmen, so der BGH.
Lediglich im Hinblick auf das Anspruchsverlangen der Klägerin auf Schadensersatz für die Entgeltfortzahlung sieht der BGH die Verweisung an das Sozialgericht als rechtsfehlerhaft an. Der Senat ist der Auffassung, dass das OLG Hamm sich mit der Frage hätte beschäftigen müssen, ob es sich um eine Erstattung von Entgeltforderungen gemäß § 6 Abs. 1 EntgFG handelt. Denn dann liege ein Haftungsschaden vor, für den der ordentliche Rechtsweg nach Art. 34 Satz 3 GG eröffnet sei.
Fazit
Dass es durch die unterschiedliche Behandlung von unmittelbaren Schäden und Haftungsschäden zu einer Rechtswegspaltung kommt und damit die Möglichkeit besteht, dass ein und derselbe Sachverhalt unterschiedlich bewertet wird, ist verfassungsrechtlich vorgegeben. Realisiert sich diese „Gefahr“ dürfte dies bei den Beteiligten auf wenig Verständnis stoßen.