Gemäß § 116 SGB V können Ärzte, die in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung oder einer stationären Pflegeeinrichtung tätig sind, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vom Zulassungsausschuss (§ 96 SGB V) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigt werden. Für Chefärzte in Krankenhäusern gehört eine solche persönliche Ermächtigung, die zur Erbringung ambulanter Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung berechtigt, zum Standard ihres Portfolios. Schaut man sich die Arbeitsabläufe einer “Chefarztambulanz“ einmal genauer an, so kommt es allerdings nicht selten vor, dass der Patient, der einen Termin in der Ambulanz vereinbart, den Chefarzt entweder gar nicht zu Gesicht bekommt, oder der Chefarzt die Behandlung nicht in Gänze übernimmt, d. h. für Teile der Behandlung weitere Ärzte, wie z.B. Oberärzte und Assistenzärzte, hinzuzieht. Dass eine derartige Arbeitsorganisation rechtlich unzulässig ist, weil mit dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung nicht vereinbar, entschied das Sozialgericht München in einem aktuellen Urteil (SG München, Urteil vom 16.03.2022, Az. S 38 KA 300/19).
Der Fall
Der Kläger war als Chefarzt einer Fachklinik tätig und verfügte über eine Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung. Im Streit stand eine seitens der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) durchgeführte Plausibilitätsprüfung für die Quartale 1/10-2/13, die zu einer Aufhebung der entsprechenden Honorarbescheide mit einem Rückforderungsvolumen in Höhe von ca. 85.000 € geführt hatte. Der Plausibilitätsprüfung vorangegangen waren Untersuchungen der zuständigen Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen wegen eines möglichen Abrechnungsbetruges des Chefarztes aufgenommen hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, dass eine Vielzahl an ärztlichen Leistungen gegenüber der KV abgerechnet worden war, die der Kläger persönlich nicht erbracht hatte. Das Strafverfahren wurde später eingestellt. Gegen die betreffenden Rückforderungsbescheide wandte sich der Kläger mit seiner Klage vor dem SG München, das diese allerdings als unbegründet zurückwies.
Die Entscheidung
Das Gericht stellte heraus, dass die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung zu den Grundpflichten eines Arztes gehöre, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme, sei es im Rahmen einer Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 95 Abs. 1 SGB V (Stichwort: Niederlassung in eigener Praxis) oder im Rahmen einer Ermächtigung zum Beispiel nach § 116 SGB V (Stichwort: Chefarztambulanz). Während bei einem Vertragsarzt auch solche Leistungen persönliche Leistungen sind, die genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte gemäß § 32b Ärzte-ZV erbringen, besteht diese Möglichkeit für ermächtigte Krankenhausärzte nicht. Für sie ist es gesetzlich nicht vorgesehen, weitere Ärzte wie Oberärzte und Assistenzärzte, auf die ein ermächtigter Krankenhausarzt qua seiner stationären Funktion und Stellung eventuell Zugriff hat, zur Erbringung ambulanter Leistungen, die zu seinem Ermächtigungsumfang gehören, hinzuzuziehen. Die mögliche Leistungserbringung im Rahmen des Ermächtigungsumfangs reduziert sich bei einem ermächtigten Arzt damit auf seine persönliche und eigene Leistungserbringung. Der Grund hierfür sei, dass die Ermächtigung eine Ausnahme darstelle und subsidiär sei. Nichtärztliche Leistungen seien hingegen delegierbar. Das Gericht sei davon überzeugt, dass der Kläger gegen diese Grundsätze verstoßen habe. So stehe nach Überzeugung des Gerichts fest, dass der Chefarzt bei vielen Patientenbehandlungen nicht oder nur unterstützend anwesend war. Selbst wenn – was unklar blieb – die Erstuntersuchung immer vom Chefarzt durchgeführt worden sein sollte, wurde im Rahmen der Zeugenvernehmung deutlich, dass die Folgeuntersuchungen routinemäßig durch andere Ärzte wahrgenommen wurden. Gegen eine persönliche Leistungserbringung durch den Kläger spreche ferner der Umstand, dass die ausgestellten Rezepte nicht die Unterschrift des Chefarztes trugen. D. h. nur ein vom behandelnden Arzt ausgestelltes Rezept entspricht – wie es das Bundessozialgericht entschieden hat – dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Schließlich habe der Kläger auch insofern gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung verstoßen, als er bei längeren Abwesenheitszeiten die Vertretungen nicht angezeigt habe (siehe § 32 Ärzte-ZV).
Fazit
Krankenhäuser und ermächtigte Krankenhausärzte sollten die Arbeitsabläufe in der „Chefarztambulanz“ routinemäßig darauf hin überprüfen, ob sie den vertragsarztrechtlichen Anforderungen entsprechen. Denn wie die Praxis zeigt, wird gerade in diesem Bereich oftmals unkritisch agiert. Nicht selten bekommt der Patient den Chefarzt überhaupt nicht zu sehen. Kommt es dann zu einer Abrechnungsprüfung, geht es – wie es der vorliegende Fall zeigt – nicht nur um eine mögliche Rückforderung bereits gezahlter Honorare. Vielmehr steht ebenso schnell der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs im Raum.
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