Nach dem Beginn der bundesweiten Impfkampagne gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 wird teilweise von Zurückhaltung bei der Inanspruchnahme des Impfangebots bei Personal in Gesundheitseinrichtungen berichtet. Vor diesem Hintergrund keimt aktuell die Debatte auf, ob Personal in bestimmten Positionen im Gesundheitswesen zu einer entsprechenden Impfung verpflichtet werden sollte. Über Sinn und Unsinn einer solchen politischen Forderung mag diskutiert werden. Es stellt sich aber rechtlich die Frage, ob nicht aus haftungsrechtlichen Gründen Zwang zu einer solchen Impfung bestehen könnte.
Regelungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Soweit es zur Erfüllung von Verpflichtungen aus § 23 Abs. 3 IfSG in Bezug auf Krankheiten, die durch Schutzimpfung verhütet werden können, erforderlich ist, darf der Arbeitgeber gemäß § 23a IfSG personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus erheben, verarbeiten oder nutzen, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Die Vorschrift soll vermeiden, dass es durch unzureichenden Impfschutz bei medizinischem Personal vermehrt zu Übertragungen von Erregern impfpräventabler Krankheiten durch medizinisches Personal auf Patienten kommt. § 23a IfSG beinhaltet nicht nur das Recht aller Arbeitgeber in Kliniken, Arztpraxen und Pflegediensten, ihre Angestellten nach ihren Impfungen zu befragen. Die Formulierung „über Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden“ impliziert auch mögliche Konsequenzen in Form einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses – insbesondere, wenn keine freien Stellen für ungeimpfte Mitarbeiter vorhanden sind, auf die der Arbeitgeber sie versetzen kann. Oder wenn der damit verbundene organisatorische bzw. finanzielle Aufwand für den Arbeitgeber unzumutbar ist.
Haftungsrechtliche Konsequenzen
Für den Träger besteht zudem ein haftungsrechtliches Risiko, wenn es bei bestehender Impfmöglichkeit durch eine ungeimpfte Person zur nosokomialen Infektion eines Patienten kommt. Wird ein Patient von einem Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit einer durch eine Impfung vermeidbaren Krankheit angesteckt, so handelt es sich um die Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes. Zudem ist der Träger durch den Behandlungsvertrag zur Behandlung nach dem medizinischen Facharztstandard verpflichtet. Erfolgt daher im Rahmen der medizinischen Behandlung durch einen Mitarbeiter der Einrichtung eine Ansteckung mit einer durch eine Impfung vermeidbaren Krankheit, stellt dies insbesondere im Hinblick auf besonders vulnerable Patientengruppen eine Verletzung der Verpflichtungen aus dem Behandlungsvertrag dar. Der Träger ist aus dem Behandlungsvertrag verpflichtet, eine solche vermeidbare Infektion durch organisatorische Vorkehrungen möglichst zu verhindern. Gemäß § 630h Abs. 1 BGB wird ein Fehler vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Da bei einer ungeimpften Person ohne weitere Umstände nicht von einer feststehenden Infektionsquelle, sondern lediglich einem potentiellen Überträger auszugehen ist, dürfte es für die Annahme eines voll beherrschbaren Risikos und damit einer Fehlervermutung auf weitere Umstände ankommen, z.B. Verbreitung des Virus, die Sicherheit der Vermeidung einer Übertragung durch eine Impfung, die Zugänglichkeit eines Impfstoffs, die erkennbare Vulnerabilität der zu betreuenden Patienten etc. Sollte durch einen Impfstoff aber mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Übertragung verhindert werden können und die nosokomiale Infektion des Patienten durch einen ungeimpften Mitarbeiter der Einrichtung belegt sein, ist eine Haftung des Trägers aus dem Behandlungsvertrag wegen Verletzung seiner Organisationspflichten nicht fernliegend, da dieser durch Erfragung des Impfstatus des Mitarbeiters die Infektionsmöglichkeit erkennen und durch organisatorische Maßnahmen wie z.B. den Einsatz des Mitarbeiters außerhalb der Patientenbetreuung verhindern kann.
Fazit
Auch wenn eine keine gesetzliche Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen angeordnet werden sollte, kann sich einerseits ein arbeitsvertragliches Risiko für einzelne Berufsgruppen ergeben, falls auf eine Impfung bewusst verzichtet und hierdurch ein Übertragungsrisiko für Patienten geschaffen werden sollte. Zum anderen sehen sich Träger von Gesundheitsrisiken einem Haftungsrisiko ausgesetzt, wenn ungeimpfte Mitarbeiter unmittelbar in der Patientenbetreuung eingesetzt werden, wenn eine Impfung eine Übertragung mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern sollte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht dies zwar noch nicht fest. Es gilt allerdings, diese Entwicklung im Auge zu behalten, um angemessen auf diese Situation reagieren zu können.
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