Wahlleistungen: Stellvertretervereinbarung bei Notfallbehandlung

Gemäß § 17 Abs. 2 Satz KHEntgG ist eine Wahlleistungsverein­barung vor Erbringung der entsprechenden Leistungen schriftlich zu vereinbaren. Dass dies unter Umständen dort nicht möglich ist, wo sich der Patient einer Notfallbehandlung unterziehen muss, liegt auf der Hand. In der Praxis agieren an dieser Stelle oftmals Mitarbeiter des Krankenhauses, die die Verein­barung als Vertreter ohne Vertretungsmacht unterzeichnen (§ 177 BGB). Die von ihnen unterschriebene Wahlleistungsvereinbarung muss später vom Patienten genehmigt werden, damit der Vertrag gegenüber dem Patienten Wirksamkeit entfalten kann, und zwar rückwirkend (§ 177 Abs. 1, § 184 BGB). Fraglich ist, ob dies auch für die Fälle der unvorhergesehenen Verhinderung des Chefarztes gilt, wenn die erforderliche individuelle Stellvertretervereinbarung, die nach der Rechtsprechung besonderen Anforderungen genügen muss, aufgrund einer notfallmäßig durchgeführten Behand­lung zuvor nicht mehr vom Patienten unterzeichnet werden kann. Das Landgericht Bielefeld hat dies bejaht (Urteil vom 14.6.2019, Az. 4 O 21/18 - rechtskräftig).

Der Fall

Geklagt hatte eine Krankenhausträgerin, bei der sich der Patient und spätere Beklagte für mehrere Wochen in stationärer Behandlung befunden hatte. Bereits bei Behandlungsbeginn hatte der Patient eine Wahlleistungs­vereinbarung über wahlärztliche Leistungen unterzeichnet. Ca. 4 Wochen nach Aufnahme des Beklagten wurde bei ihm am Morgen des 07.05.2014 notfallmäßig eine orthopede Herztransplantation durchgeführt. Da der Chefarzt verhindert war, nahm die Operation sein Vertreter, ein Oberarzt, vor. In Anbetracht dessen wurde vor dem Eingriff noch eine Stellvertretervereinbarung geschlossen. Unterzeichnet wurde diese Vereinbarung jedoch nicht vom Patienten selbst. Vielmehr unterschrieb in vollmachtloser Vertretung für den Patienten ein ärztlicher Mitarbeiter der Krankenhausträgerin, während für die Klägerin der o.g. Oberarzt unterzeichnete. Wenige Stunden später, also noch am selben Tag, und im Anschluss an den erfolgreichen Eingriff unterschrieb auch der Patient die Erklärung zur Vertretung des Chefarztes (“Genehmigung der Vereinbarung vom 06.05.2014“). Einige Wochen später stellte die Krankenhausträgerin dem Beklagten ihre Leistungen mit einem Betrag in Höhe von knapp 14.000 € in Rechnung. Der Beklagte reichte die Rechnung bei seiner privaten Krankenversicherung ein, die die Erstattung hinsichtlich der Kosten der “Chefarztbehandlung“ bei der Herztransplantation ablehnte. Zur Begründung hieß es seitens der Versicherung, dass keine wirksame Individualvereinbarung abgeschlossen worden sei. Streitgegenständlich blieb ein Restbetrag in Höhe von ca. 5400 €.

Die Entscheidung

Das Landgericht Bielefeld gab der Klage der Krankenhausträgerin vollumfänglich statt. Die Kammer gelangte zu der Überzeugung, dass die besonderen Aufklärungspflichten, die im Fall einer Verhinderung des Chefarztes und einer daraufhin zum Abschluss stehenden Stellvertretervereinbarung zu beachten sind, erfüllt worden sind. Wesentliche Bedeutung maß das Gericht dabei den Ausführungen des Oberarztes bei, den das Gericht als Zeugen vernommen hatte. Er hatte glaubhaft angegeben, mit dem Patienten ein umfassendes Gespräch geführt zu haben. Zudem befand das Gericht, dass dem ansprechbaren und aufnahmefähigen Patienten sowohl die den Aufklärungspflichten genügende Patientenerklärung als auch die nach der Operation unterschriebene Genehmigung mit ausreichender Zeit zur Durchsicht vorgelegt worden seien. Dass die Aufklärung erst nach der Operation erfolgt war, hielt das Landgericht Bielefeld dabei für unschädlich.

§ 17 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG, insbesondere dessen Schutzzweck, stehe dem nicht entgegen. Zwar sehe die Norm eine Unterrichtung des Patienten vor Vereinbarung vor. Zumindest in Notfallsituationen, wie im vorliegenden Fall unstreitig gegeben, müsse diese Regelung im Interesse beider Parteien dispositiv dahin verstanden werden, dass auch eine Genehmigung vorheriger vollmachtloser Vereinbarungen erfolgen könne. Schließlich entstehe dem Patienten – sofern Aufklärungs- und Informationspflichten eingehalten werden – durch die Stellvertretervereinbarung auch kein Nachteil. Da die Zulässigkeit von Stellvertretervereinbarungen höchstrichterlich anerkannt sei, müsse dies konsequenterweise auch für die Genehmigungsfähigkeit von solchen Vereinbarungen gelten, die aufgrund von Zeitdruck hinsichtlich des Eingriffs bzw. eines akut verschlechterten Zustandes des Patienten unter Zuhilfenahme eines vollmachtlosen Vertreters erfolgten. Den Einwand der Versicherung, dass der Eingriff auch ohne Wahlleistungsvereinbarung durch den Oberarzt durchgeführt worden wäre, wies die Kammer zurück, da die Zeugenvernehmung hierfür keinerlei Anhaltspunkte lieferte.

Fazit

Das rechtskräftige Urteil gibt Krankenhausträgern wichtige Hinweise zu ihren Möglichkeiten, aber auch Verpflichtungen bei notfallmäßigen Eingriffen.

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