Ambulante Strahlentherapie: Behandlungspflicht Ja – Abrechenbarkeit Nein

Im Jahr 2022 entschied das BSG, dass Krankenhäusern bei der Ausgliederung medizinischer Bereiche Grenzen gesetzt sind. In einem weiteren Urteil, dessen Entscheidungsründe Ende November 2023 veröffentlicht wurden, setzt der 1. Senat des BSG seine Rechtsprechung einer die Krankenhäuser beschränkenden Leistungserbringung bzw. Leistungsvergütung fort (Urteil vom 29.08.2023, Az. B 1 KR 18/22 R).

Am 26.04.2022 (Az. B 1 KR 15/21 R) entschied das BSG, dass Krankenhäusern bei der Ausgliederung medizinischer Bereiche Grenzen gesetzt sind. Das Krankenhaus dürfe wesentliche der vom Versorgungsauftrag umfassten Leistungen (hier: Strahlentherapie) nicht regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagern, so das Gericht. Wesentlich seien dabei alle Leistungen, die in der ausgewiesenen Fachabteilung regelmäßig notwendig seien – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen. In einem weiteren Urteil, dessen Entscheidungsgründe Ende November 2023 veröffentlicht wurden, setzt der 1. Senat des BSG seine Rechtsprechung einer die Krankenhäuser beschränkenden Leistungserbringung bzw. Leistungsvergütung fort (Urteil vom 29.08.2023, Az. B 1 KR 18/22 R). 

Der Fall

Streitig ist die Vergütung wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung einer bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Patientin, die im Jahr 2015 in der Klinik der Klägerin erfolgte. Bei der Klinik handelt es sich um ein Plankrankenhaus, das im Krankenhausplan 2015 der Freien und Hansestadt Hamburg mit einer Gesamtbettenzahl von 701, davon 243 im Fachgebiet Innere Medizin, ausgewiesen ist. Betten im Fachgebiet Strahlenheilkunde sah der Krankenhausplan zwar vor, allerdings nicht für die Klinik der Klägerin, die auch über keine Abteilung für Strahlentherapie verfügt. Die Aufnahme der an Krebs erkrankten Versicherten erfolgte zur Durchführung einer medikamentösen Chemotherapie.

Bereits 10 Tage vor Beginn des vollstationären Krankenhausaufenthaltes hatte sich die Patientin in ambulanter Strahlentherapie befunden, welche während der stationären Behandlung und auch danach fortgeführt wurde. Die Klägerin hatte dabei für die Dauer des Aufenthalts der Versicherten den jeweiligen Transport der Patientin zu und von den Behandlungsräumen der Strahlentherapie-Praxis organisiert und bezahlt. Die Behandlungen stellte die Strahlentherapie-Praxis dem Krankenhaus nach den Regularien der GOÄ in Rechnung, die Behandlungen vor und nach dem Krankenhausaufenthalt rechnete sie gegenüber der zuständigen KV ab.

Im Anschluss an die Entlassung der Versicherten stellte die Klägerin der Beklagten auf der Grundlage der Fallpauschale E08C (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane, ohne operativen Eingriff oder Beatmung (…)). nebst Zuschlägen insgesamt ca. 5000 € in Rechnung. Die Beklagte zahlte unter Zugrundelegung einer anderen DRG lediglich ca. die Hälfte des Rechnungsbetrages und argumentierte, dass die Fortführung der Bestrahlungen nicht von der Klägerin veranlasst worden sei, sondern die Verantwortung in den Händen der Praxis gelegen habe. Die Klägerin habe lediglich sichergestellt, dass die Versicherte die bereits feststehenden ambulanten Termine einhalten konnte. Da die Klägerin die Strahlentherapie mangels entsprechender Fachabteilung weder selbst durchgeführt noch veranlasst habe, könne sie diese bei der Kodierung nicht berücksichtigen. Die Klägerin klagte den Differenzbetrag nebst Zinsen ein und obsiegte in der ersten ebenso wie in der zweiten Instanz. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das Berufungsgericht die Revision zum BSG zu (s. dazu BDO LEGAL INSIGHTS). Dieses hob beide Urteile auf und wies die Klage des Krankenhauses ab.

Die Entscheidung

Das BSG entschied, dass die Klinik die von der Arztpraxis durchgeführte Strahlentherapie nicht habe kodieren dürfen, weil ihre Erbringung nicht vom Versorgungsauftrag der Klinik umfasst war. Zwar liege eine vom Krankenhaus veranlasste Leistung eines Dritten im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG vor. Zu diesen gehörten nicht nur unterstützende und ergänzende Leistungen, wie etwa Laboruntersuchungen oder radiologische Untersuchungen, sondern auch ambulant durchgeführte eigenständige Behandlungsleistungen für mitgebrachte oder interkurrente Erkrankungen. Denn zum Anspruch des Versicherten auf stationäre Behandlung gehöre auch die Abdeckung seines akuten, ohne die stationäre Aufnahme ambulant abzudeckenden Behandlungsbedarfs. Von diesem Grundsatz der Gesamtbehandlungsverantwortung gebe es für den Fall der Dialyse zwar eine gesetzlich geregelte Ausnahme (keine allgemeine Krankenhausleistung, § 2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KHEntgG). Diese Regelung auf die ambulante Strahlentherapie analog anzuwenden, komme jedoch nicht in Betracht. Denn der Gesetzgeber habe bewusst auf die Regelung weiterer Fallgruppen unter Hinweis darauf verzichtet, dass die Abgrenzung interkurrenter Erkrankungen von der Erkrankung, die Anlass für die stationäre Behandlung war, wegen der Vielzahl der Fallgestaltungen generell schwierig sei.

Auch wenn die Klinik im vorliegenden Fall die ihr obliegende Gesamtbehandlungsverantwortung in Bezug auf die ambulant durchgeführte Strahlentherapie wahrgenommen habe, sei die von der Arztpraxis für die Klinik durchgeführte Strahlentherapie gleichwohl nicht kodierfähig. Denn vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter seien nur dann als eigenständige Operationen und Prozeduren nach dem OPS kodierfähig, wenn das Krankenhaus sie nach dem Inhalt seines Versorgungsauftrags auch selbst erbringen durfte. Genau dies sei hier nicht der Fall gewesen (s. Krankenhausplan). Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen dürften nur im Rahmen des Versorgungsauftrags berechnet werden (Ausnahme: Notfall). Insofern sei der Begriff der kodierfähigen Leistungen enger als der der allgemeinen Krankenhausleistungen. 

Fazit:

Das Krankenhaus ist zwar zur Erbringung allgemeiner Krankenhausleistungen verpflichtet, kann diese aber nur insoweit kodieren, als sie auch zu seinem Versorgungsauftrag gehören. D.h. es bleibt bei der Vergütung nur der vom Versorgungsauftrag umfassten Leistungen. Dass dies in Fällen wie diesem – gelinde gesagt – nicht zufriedenstellend sein kann, sieht auch das BSG, wenn es in der Entscheidung heißt „Soweit in Konstellationen wie der vorliegenden der Aufwand für eine vom Krankenhaus veranlasste Strahlentherapie mit der Fallpauschale nicht adäquat abgegolten sein sollte, könnte der Gesetzgeber Strahlentherapieleistungen, die nicht für sich genommen stationär erbracht werden müssen, dem ambulanten Sektor zuweisen und eine vergleichbare Ausnahmeregelung wie bei der Dialyse schaffen“. Ob dies weiterhilft, ist fraglich. Denn, wie das BSG ja selbst ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber bisher jedenfalls wegen tatsächlicher Abgrenzungsschwierigkeiten bewusst auf die Regelung weiterer Fallgruppen verzichtet.