Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Ein erster Schritt zum ESG-Reporting

 

Autor: Philipp Heider, Senior Manager, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft




Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Überblick

Mit Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) am 01.01.2023 wurden Unternehmen in Deutschland erstmals verpflichtet, ihren Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette nachzukommen. Die Verantwortung bezieht sich insbesondere auf den Schutz menschenrechtlicher und umweltbezogener Belange. Das Gesetz sieht zur Erfüllung der Pflichten umfangreiche Maßnahmen zur Prävention von und Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihrer Lieferkette vor. Zum Nachweis der Einhaltung haben die vom LkSG erfassten Unternehmen ein angemessenes und wirksames Risikomanagement zu etablieren. Hierzu zählen neben der Festlegung einer klaren betriebsinternen Zuständigkeit für die Überwachung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten auch die Abgabe einer Grundsatzerklärung, die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, Ergreifung von Maßnahmen zur Risikovermeidung bzw. -beseitigung sowie die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens.

Berichterstattung und Sanktion

Zum Nachweis der Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten haben die Unternehmen jährlich einen Bericht bei der zuständigen Behörde einzureichen. Erstreckte sich der Anwendungsbereich des Gesetzes zunächst auf Unternehmen mit mehr als 3.000 Angestellten, so gilt dieses seit 01.01.2024 bereits für Unternehmen ab 1.000 Angestellten. Da der Bericht vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres einzureichen und zu veröffentlichen ist, werden in den nächsten Wochen die ersten Berichte vorliegen.

Kommen Unternehmen ihren Pflichten nicht nach, kann das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Bußgelder von bis zu acht Millionen Euro verhängen oder die Unternehmen für bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausschließen. Darüber hinaus drohen Reputationsschäden oder ein schlechtes Nachhaltigkeitsranking, das sich nachteilig auf die Kapitalbeschaffung bei Darlehensgebern auswirken kann.

Anwendungsbereich

Bei der Prüfung, ob Sie in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, sollten Sie beachten, dass die Zählung der Angestellten grundsätzlich weit auszulegen ist. So zählen neben Voll- und Teilzeitkräften auch Honorarpersonal und Leihkräfte bei der Ermittlung der Anzahl der Angestellten dazu. Falls Ihr Unternehmen bzw. Ihre Betriebseinheit Teil eines Verbunds oder Konzerns ist, sollten Sie außerdem beachten, dass „von unten nach oben“ gezählt wird. Somit kann die oberste (gesellschaftsrechtliche) Einheit berichtspflichtig sein, auch wenn sie selbst weniger als 1.000 Angestellte umfasst. Die Rechtsform, also ob Sie als Kapitalgesellschaft, Stiftung, Verein oder Körperschaft organisiert sind, ist dabei nicht entscheidend. Vielmehr ist von Bedeutung, ob Sie Ihre Dienstleistungen oder Produkte „am Markt“ anbieten – hier am Beispiel des Marktes für Gesundheitsleistungen.

Zusätzlich differenziert das Gesetz nach unterschiedlichen Stufen in der Lieferkette: eigener Geschäftsbereich, unmittelbarer Zulieferer und mittelbarer Zulieferer.

LkSG als Baustein des ESG-Reportings

Die mit dem LkSG geregelten Themen Umweltschutz und Menschenrechte sind auch Teil der Säulen „E“ bzw. „S“ des ESG(Environmental, Social, Governance)-Reportings. Die Maßnahmen, die das Gesetz zur Verankerung im Unternehmen vorsieht, ist Teil der Säule „G“. Insofern bietet das LkSG die Möglichkeit, die Anforderungen des ESG frühzeitig umzusetzen.

Praxishinweis: medizinische Leistungserbringung

Die Lieferkette medizinischer Leistungserbringer wie Krankenhäusern, aber auch der Sanitätshäuser, ist komplex. Einerseits liegt die Beschaffung im Einkauf von Arzneimitteln oder dem Handel mit Medizintechnik und Medizinprodukten. Andererseits liefern Großhändler bestimmte Waren an die Kranken- bzw. Sanitätshäuser und sind als unmittelbare Zulieferer in die jeweilige Risikoanalyse miteinzubeziehen. Allerdings sind mögliche Risiken auch mit Blick auf die Herkunftsländer oder verwendete Rohstoffe zu analysieren.

Sind Krankenhäuser oder Klinik-Verbünde einer Einkaufsgemeinschaft angeschlossen, ist ein besonderes Augenmerk auf die Vertragsgestaltung zu legen. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob lediglich der Vertrag mit der Einkaufsgemeinschaft in die Risikoanalyse einzubeziehen ist oder sämtliche dahinterstehende Zulieferer.

Auch bezogene Dienstleistungen sind der Risikoanalyse zu unterziehen. Im Bereich Gebäudereinigung oder Kantine sollten die Entlohnung, Arbeitsbedingungen oder Arbeitsschutz in eine Risikoanalyse einbezogen werden.

Praxishinweis: Medizintechnik

Auch wenn die Medizintechnik stark mittelständisch geprägt ist, kann sich eine Auseinandersetzung mit den Regelungen des LkSG lohnen: als unmittelbare oder mittelbare Zulieferer sind die KMU’s möglicherweise vom LkSG betroffen.

Liefern Sie Ihre Medizinprodukte oder Produktteile z. B. an größere Kliniken oder Hersteller von Medizinprodukten, so können diese Pflichten aus dem LkSG an Sie als unmittelbaren Zulieferer weitergeben.

Sind Sie hingegen nur mittelbarer Zulieferer eines direkt in den Anwendungsbereich des LkSG fallenden Unternehmens und hat dieses eine „substantiierte Kenntnis“ erlangt, dass möglicherweise eine menschenrechts- oder umweltbezogene Pflicht nicht eingehalten wird, wird das Unternehmen Sie in seine Risikoanalyse einbeziehen und Abhilfemaßnahmen ergreifen.

Je nach Ausgestaltung der Lieferverträge kann sich für Sie die Pflicht ergeben, menschenrechts- oder umweltbezogene Erwartungen an Ihre Lieferkette zu prüfen und ggf. an Ihre Zulieferer weiterzugeben.

Praxishinweis: Pharma

Die Produktion pharmazeutischer Produkte kann mit Umweltrisiken verbunden sein: teilweise werden Antibiotika nicht vollständig gefiltert und können so zu Resistenzen führen. Dadurch besteht ein Risiko für die Gesundheitsversorgung.

Die Einhaltung der Menschenrechte ist explizit im LkSG verankert und gilt auch für Produktionsstätten, die sich im Ausland befinden. Indien oder China stellen einen Großteil der pharmazeutischen Wirkstoffe her. Die Menschenrechtslage dort ist kritisch einzustufen und nur schwer zu überprüfen.

Mit verschiedenen Punkten zur Schaffung von internen Maßnahmen deckt das LkSG auch die Säule „G“ des ESG ab. Neben Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich sind Maßnahmen gegenüber unmittelbaren Zulieferern sowie das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen gefordert.
 

Fazit
Mit der seit dem 01.01.2024 geltenden Absenkung der Anzahl ab 1.000 Angestellten wird der Anwendungsbereich des LkSG vergrößert. Neben der weit auszulegenden Anzahl der Angestellten gilt das LkSG grundsätzlich rechtsformunabhängig und somit auch für Stiftungen, Vereine und Körperschaften. Voraussetzung ist, dass diese Unternehmen Produkte bzw. Dienstleistungen „am Markt“ anbieten. Betroffen ist nicht nur der eigene Geschäftsbereich, sondern auch wenn Sie unmittelbarer oder mittelbarer Zulieferer sind, können die Vorschriften des LkSG für Sie einschlägig sein. Mit dem LkSG können Unternehmen frühzeitig Regularien des ESG umsetzen, und es bietet sich so die Chance, sich von Wettbewerbern abzusetzen. Wir bei BDO stehen Ihnen gerne zur Seite, im Rahmen eines Quick-Checks den aktuellen Stand Ihres Risikomanagement- und Compliancesystems zu ermitteln und Ihnen Wege zur Optimierung bzw. Erfüllung der menschenrechtlichen bzw. umweltbezogenen Sorgfaltspflichten aufzuzeigen.