BNetzA: Eckpunktepapier zur Neuregelung der Industrienetzentgelte
BNetzA: Eckpunktepapier zur Neuregelung der Industrienetzentgelte
Am 24. Juli 2024 hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) ein Festlegungsverfahren zur Neuregelung der Industrienetzentgelte im Elektrizitätsbereich eingeleitet. Teil dieses Festlegungsverfahrens ist ein ebenfalls am 24. Juli 2024 veröffentlichtes Eckpunktepapier zur Fortentwicklung der Industrienetzentgelte, in dem die wesentlichen Hintergründe, Grundsätze und Ziele der beabsichtigten Festlegung dargestellt werden. Die individuellen Netzentgelte des § 19 Abs. 2 StromNEV, die bedeutende Netzentgeltreduzierungen für Industrieunternehmen mit sich bringen, sollen in ihrer jetzigen Ausgestaltung abgeschafft und durch ein sog. systemdienliches Sondernetzentgelt ersetzt werden. Betroffene Industrieunternehmen haben die Möglichkeit, bis zum 18. September 2024 gegenüber der BNetzA Stellung zu nehmen.
Status quo und Hintergrund
Die derzeitige Regelung der individuellen Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV sieht zwei Privilegierungstatbestände vor. § 19 Abs. 2 Satz 1 StromNEV privilegiert atypisches Netznutzungsverhalten, die sog. Atypik. Atypisches Netznutzungsverhalten liegt dann vor, wenn die individuelle Jahreshöchstlast erheblich außerhalb der zeitglichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dem Netz liegt. § 19 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 StromNEV privilegieren die stromintensive Netznutzung, die sog. Bandlast. Hierfür wird eine gleichbleibende Grundlast mit einer Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.000 Stunden und einem Stromverbrauch von mindestens zehn Gigawattstunden pro Kalenderjahr verlangt. Laut BNetzA erlangen Industrieunternehmen in Deutschland im Jahr 2024 über diese Privilegierungen eine Milliarde Euro an Netzentgeltreduzierungen.
Mit der Energiewende steigt der Anteil volatiler erneuerbarer Stromquellen wie Solarenergie und Windkraft, während der Anteil an konventionellen Grundlastkraftwerken sinkt. Die Stromeinspeisung wird also volatiler und dies erfordert laut BNetzA zunehmend flexible Leistungsaufnahme anstatt einer hohen gleichmäßigen Leistungsaufnahme. Die Bandlastprivilegierung würde bei den geänderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen jedoch Fehlanreize zu einem unflexiblem und starren Abnahmeverhalten schaffen. Die Effektivität der Atypik sei zudem stark geschmälert, da zusätzlicher Netzausbau nicht primär durch die Last-, sondern durch die Einspeiseseite verursacht würde. Durch die jetzigen Privilegierungen würde letztlich keine effektive Anreizsetzung stattfinden.
Schaffung eines neuen systemdienlichen Sondernetzentgeltes
Um gezielt Anreize zur Flexibilisierung zu setzen und Flexibilitätspotentiale nutzbar zu machen, will die BNetzA daher ein neues Sondernetzentgelt mit einem neuen Anreizmechanismus schaffen. Beabsichtigt ist eine grundlegende Reform der Industrienetzentgelte, die die individuellen Netzentgelte des § 19 Abs. 2 StromNEV ersetzt. Die derzeitigen Netzentgeltreduzierungen sollen grundsätzlich Ende 2025 auslaufen. Die neue Regelung soll systemdienliche Anreize setzen, also ein Netznutzungsverhalten anreizen, das sich positiv auf die Kosten der Energieversorgung und die Kosten eines stabilen Netzbetriebes auswirkt.
Zukünftig sollen dynamische bzw. flexible Reaktionen auf die aktuelle Erzeugungssituation gefördert werden. Die Erzeugungssituation spiegelt sich vor allem in den Strombörsenpreisen wider. Netzentgeltprivilegierungen bzw. -reduzierungen sollen daher dann eingreifen, wenn die Abnahme in Zeiträumen besonders niedriger Preise mit hohem Stromangebot im Vergleich zu dem individuellen Jahresdurchschnitt erheblich erhöht wird. Netzentgeltprivilegierungen sollen zudem auch dann greifen, wenn Industrieunternehmen in Zeiträumen mit knappem Stromangebot und hohen Preisen ihre Abnahme im Vergleich zu ihrem individuellen Jahresdurchschnitt erheblich senken.
Dabei erkennt die BNetzA, dass die genaue Ausgestaltung eines flexiblen Industrienetzentgeltes von den betrieblichen und technischen Möglichkeiten der Industrie abhängt. Zudem bedarf eine Neuregelegung mit Blick auf Vertrauensschutzerfordernisse Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen. Ein flexibles bzw. dynamisches Abnahmeverhalten setzt voraus, dass die Industriebetriebe entsprechende Flexibilitätsoptionen überhaupt haben und nicht technisch bzw. produktionsbedingt auf eine dauerhafte konstante Abnahme angelegt oder sogar angewiesen sind. In bestimmten Fällen dürfte unter Umständen eine Umstellung der Produktion erforderlich werden.
Die BNetzA muss dabei berücksichtigen, dass viele energieintensive Unternehmen, z.B. in der Metall- und Chemieindustrie, nur begrenzte Flexibilitätspotentiale aufweisen. Bei Produktionsprozessen mit konstantem und hohem Strombedarf, dürfte eine Umrüstung oftmals nur unter erheblichen Effizienzeinbußen stattfinden können. Ohne diese Umrüstung steigen andererseits die Netzentgelte. In beiden Fällen drohen die Unwirtschaftlichkeit der Produktion sowie Standortschließungen bzw. -verlagerungen ins Ausland.
Frist zur Stellungnahme bis zum 18. September 2024
Um detaillierte Informationen zu den tatsächlichen Möglichkeiten und Umständen der betroffenen Industrieunternehmen zu erfahren, bittet die BNetzA um Stellungnahme bis zum 18. September 2024. Dies wird maßgeblich zur konkreten Ausgestaltung des neuen Sondernetzentgeltes, der Ausnahmen sowie der Übergangsregelung beitragen. Es wird daher um Rückmeldung unter anderem zu den Anpassungspotenzialen, der Prognostizierbarkeit von Preisschwankungen und zu den Maßnahmen und Kosten möglicher Flexibilisierungsprozesse gebeten.
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