BSG: Wer ohne sachlichen Grund in ein anderes Krankenhaus verlegt, macht sich schadensersatzpflichtig

Wird ein Krankenhauspatient zur weiteren Behandlung in ein anderes Krankenhaus verlegt, so verursacht dies nicht selten Mehrkosten, was gerne zu Streitigkeiten mit den Kostenträgern führt. Das Landessozialgericht NRW hatte dazu im vergangenen Jahr entschieden, dass in einem solchen Fall ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse bestehen kann, nämlich dann, wenn das Krankenhaus den Patienten ausweislich des Versorgungsauftrags hätte weiterbehandeln müssen (LSG NRW, Urteil vom 19.01.2022, Az. L 10 KR 142/20). In diese Richtung geht auch ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.03.2023 (Az. B 1 KR 4/22 R), von dem bislang allerdings nur der Terminbericht vorliegt.

Der Fall

Die Klägerin, ein Universitätsklinikum, hatte eine bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin wenige Tage vollstationär wegen eines subakuten Myokardinfarktes bei koronarer Drei-Gefäß-Erkrankung behandelt. Am 3. Tag wurde sie aus dem Klinikum der Klägerin in ein wohnortnahes Krankenhaus verlegt und dort noch über eine Woche lang stationär weiter behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten für die Behandlung ca. 4300 € in Rechnung und berücksichtigte dabei einen Verlegungsabschlag in Höhe von ca. 1660 €. Das wohnortnahe Krankenhaus seinerseits berechnete für die eigene stationäre Behandlung der Patientin ca. 2800 €. Die Krankenkasse beglich die Rechnung der Klägerin, beauftragte jedoch auch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Durchführung eines Prüfverfahrens. Nachdem das Ergebnis der Prüfung vorlag, rechnete die Beklagte in Höhe von ca. 1150 € mit einer anderen unstrittigen Forderung des Universitätsklinikums auf. Dazu führte sie aus, dass die Verlegung der Patientin medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Vielmehr hätte die Klägerin die Versicherte bis zur Entlassung weiterbehandeln können und müssen. Dann wären ihr – der Krankenkasse – Mehrkosten in Höhe der in Ansatz gebrachten ca. 1150 € erspart geblieben. In der Folge zog das Universitätsklinikum vor das zuständige Sozialgericht Altenburg und obsiegte (SG Altenburg, Urteil vom 21.09.2018, S 13 KR 868/18), unterlag dann jedoch in der Berufungsinstanz (Thüringer LSG, Urteil vom 07.10.2021, Az. L 6 KR 1278/18). Jetzt hat das BSG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen und deutliche Worte gefunden.

Die Entscheidung

Der 1. Senat des BSG entschied, dass dem Klinikum zwar der streitige Vergütungsanspruch für die durchgeführte Behandlung der Versicherten zustehe. Denn dafür komme es auf die Frage, ob die Verlegung medizinisch notwendig war, nicht an, so das Gericht. In Betracht komme allerdings ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB aufgrund einer Verletzung der dem Klinikum obliegenden Pflichten aus § 12 Abs. 1, § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V sowie § 17c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KHG.

Da eine Verlegung trotz der damit verbundenen Vergütungsabschläge regelmäßig zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse führe, bedürfe es für die Verlegung eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen habe. Als sachliche Gründe für eine Verlegung nannte das Gericht zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Versicherten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern. Die Verlegung aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe (z. B. Maximal­versorger) in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe (z. B. Grundversorger) könne gerechtfertigt sein, wenn es der Behandlung auf der höheren Stufe nicht mehr bedürfe und die dortigen Versorgungkapazitäten für andere Patienten benötigt würden. Umgekehrt bedürfe es keines sachlichen Grundes, wenn und soweit hierdurch der Krankenkasse keine Mehrkosten entstehen, zum Beispiel in Fällen der Rückverlegung. Da das LSG keine Feststellungen zu den Gründen der Verlegung in den konkreten Fall getroffen hatte, konnte das Bundessozialgericht nicht abschließend entscheiden, weshalb der Fall anders Landessozialgericht in Erfurt zurückverwiesen wurde.

Fazit

Mit dem Verweis auf die Verpflichtungen des Krankenhauses aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot
(§ 12 SGB V) und den Versorgungsauftrag (§ 109 SGB V) offeriert das BSG den Krankenkassen zahlreiche Möglichkeiten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Speziell beim Thema Verlegung fragt man sich, welche Bedeutung dann noch die auf Selbstverwaltungsebene getroffenen Vereinbarungen haben. Es ist zu befürchten, dass die Krankenkassen angesichts dieses BSG-Urteils Fälle der Verlegung noch stärker „beleuchten“ werden als bisher bereits.