Für eine ganze Reihe von Pflegeheimen dürfte das inzwischen rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Münster vom 25.01.2022 (Az. 15 K 3554/18 U) zu Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen von Interesse sein, dem der folgende redaktionelle Leitsatz zugrunde liegt:
Betreuungsleistungen, die eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen zusammenhängen und spezifisch auf die Behebung altersspezifischer Einschränkungen zielen, wie Bereitstellung eines Notrufdienstes, bedarfsweise kurzfristige Übernahme pflegerischer Leistungen, hauswirtschaftliche Versorgung, Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Waschen der Kleidung, sind gemäß § 4 Nr. 16 UStG umsatzsteuerfrei.
Der Fall
Die Beteiligten hatten sich darüber gestritten, ob die von der Klägerin in den Jahren 2009 bis 2014 erbrachten Leistungen (ohne Vermietungsleistungen) im Zusammenhang mit dem sogenannten betreuten Wohnen von der Umsatzsteuer befreit sind.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die eine Seniorenresidenz bestehend aus einem Pflegeheim und sieben Wohnungen des betreuten Wohnens betreibt. Die Wohnungen weisen eine Größe zwischen 40 m² und 65 m² auf, verfügen über jeweils eine eigene Einbauküche, ein Notrufsystem und befinden sich im Gebäude des Pflegeheims. Die Klägerin verfügte über einen abgeschlossenen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI über vollstationäre Pflege und Kurzzeitpflege und eine zeitlich befristete Vereinbarung gemäß §§ 84, 85 und 87 SGB XI über die Leistung, Qualität und Vergütung der vollstationären Pflegeleistungen und Kurzzeitpflegeleistungen, auf deren Grundlage sie Leistungen der Kurzzeitpflege und der vollstationären Pflege an Pflegebedürftige im Sinne des SGB XI erbrachte.
Mit den Bewohnern des betreuten Wohnens schloss die Klägerin neben einem Mietvertrag Betreuungsverträge ab, die einem Mustervertrag folgten und diverse Leistungen einer Grundversorgung, einer erweiterten Grundversorgung und Wahlleistungen einschließlich eines insoweit obligatorischen Notrufsystems umfassen.
Bei den Leistungen des betreuten Wohnens ging die Klägerin davon aus, es handele es sich um eng mit der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen zusammenhängende Leistungen, für die eine Umsatzsteuerfreiheit (mit Ausnahme der Wahlleistung „Bereitstellung Telefonanschluss“) in Betracht kommt. Diese Auffassung teilte das zuständige und später beklagte Finanzamt nicht.
Die Entscheidung
Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster kam allerdings zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall sehr wohl die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG Anwendung findet.
In seiner Urteilsbegründung führt der 15. Senat u.a. aus, dass für die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG mehrere Voraussetzungen vorliegen müssen (Tz. 27). Die Leistungen müssen gegenüber dem in § 4 Nr. 16 Satz 1 UStG genannten Personenkreis erbracht werden, sie müssen eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbunden sein und von einer begünstigten Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. a) bis k) bzw. l) UStG erbracht werden, die die Leistungen nach § 4 Nr. 16 Satz 2 UStG im Rahmen ihrer Anerkennung ausführt.
Zu diesen drei Kriterien nimmt der 15. Senat in seiner Urteilsbegründung ausführlich Stellung, u.a. wie er die Begriffe „hilfsbedürftige Personen“, „eng mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundene Leistungen“ sowie „begünstigte bzw. anerkannte Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG“ auslegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wurde nicht zugelassen.
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