Am 24. November 2022 veröffentlichte die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) ihre „Festlegung“ zum Einsatz von Microsoft 365.
Die DSK kommt darin zum Ergebnis, Microsoft könne den Nachweis dafür, dass Microsoft 365 datenschutzrechtskonform betrieben wird, anhand der vertraglichen Vereinbarung, dem „Datenschutznachtrag zu den Produkten und Services von Microsoft vom 15. September 2022“, („DPA“) nicht führen.
Die Festlegung verweist auf den 58-seitigen Abschlussbericht der AG DSK „Microsoft-Onlinedienste“ vom 2. November 2022.
Die Botschaft, Microsoft 365 sei nicht datenschutzkonform, hat großes Medieninteresse erfahren. Die Kommentare schwanken dabei zwischen Aussagen wie „Die Aufsichtsbehörden haben schwere datenschutzrechtliche Bedenken gegen Microsoft 365, die der Konzern nicht ausräumen kann“ und „Microsoft 365 – so sollte Datenschutzaufsicht nicht sein“.
Was ist nun von der Festlegung zu halten?
I. Rechtsnatur der Festlegung, Prüfungsgegenstand
Die „Festlegung“ vermittelt den Anschein einer behördlichen Entscheidung. Tatsächlich trifft dies nicht zu. Denn für ein rechtlich bindendes Tätigwerden der DSK gibt es keine gesetzliche Grundlage. Die DSK ist vielmehr ein reines Arbeitsgremium zum Austausch von Positionen. Das Papier ist also eine abgestimmte Rechtsmeinung der Aufsichtsbehörden. D.h. eine rechtliche Durchsetzung muss durch die jeweiligen Aufsichtsbehörden erfolgen. Jede Entscheidung der Aufsichtsbehörden ist der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Die Gerichte sind dabei an die Festlegungen der DSK nicht gebunden. Letztlich sind die maßgeblichen Fragen durch den Europäischen Gerichtshof zu entscheiden.
Interessant an der Vorgehensweise der DSK ist, dass hier ausdrücklich nur eine auf ein Vertragsdokument eingeschränkte Prüfung stattfand und die betroffenen Produkte technisch/funktional nicht bewertet wurden.
II. Die Position der DSK: Fehlende Transparenz, Verarbeitung durch Microsoft zu eigenen Zwecken
Die Kritik der DSK setzt bei der Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO an. Microsoft lege nicht vollumfänglich offen, welche Verarbeitungen im Einzelnen stattfinden und ob diese im Auftrag des Kunden oder zu eigenen Zwecken erfolgten. Das DPA sei nicht präzise und erlaube Microsoft nicht bewertbare, umfangreiche Verarbeitungen auch zu eigenen Zwecken.
1. Rechenschaftspflicht
Die DSK beanstandet am Microsoft DPA namentlich dessen Anhang B, einen „im Zweifel alle und alles“-Ansatz, der generell mögliche Verarbeitungen im Auftrag des Kunden beschreibt.
Stattdessen sei eine „spezifische und detaillierte“ Beschreibung von Verarbeitungstätigkeiten notwendig. Diese müsse die Kunden in die Lage versetzen, deren datenschutzrechtliche Transparenzpflichten zu erfüllen.
In der Folge gibt die DSK verschiedene Ratschläge wie dies geschehen könne, etwa auf der Basis des Anhangs II der EU-Standardvertragsklauseln oder der Checkliste der Aufsichtsbehörden. Die DSK verlangt hier einen Prozess, der die Einzelheiten und den konkreten Inhalt für beiden Seiten einseh- und nutzbar macht, sowie formgerecht zum Vertragsgegenstand erhebt.
Diese Ausführungen im Bericht werfen allerdings die Frage auf, ob hier die DSK eine (unverbindliche) Empfehlung abgibt oder ob dies tatsächlich eine aus Sicht der Aufsichtsbehörden formulierte (echte) gesetzliche Anforderung ist. Im letztgenannten Fall würden für die Verwender von Microsoft 365 nach Art. 83 Abs. 5 lit a. DSGVO Strafen unter dem höchsten Bußgeldrahmen der DSGVO drohen.
Microsoft hat auf die Veröffentlichung der Festlegung geantwortet und dabei den Punkt der Rechenschaftspflicht aufgegriffen. Microsoft kritisiert dabei die Anforderungen der DSK als überzogen. Der für die Rechenschaftspflicht maßgebliche Detailgrad solle die wesentlichen Punkte erkennen lassen. Es müsse aber nicht jedes Detail der technischen Umsetzung beschrieben sein. Die Anforderungen der DSK seien praxisfern und technologiefeindlich. Daneben verweist Microsoft auf die umfangreiche technische Dokumentation, die den Verwendern von Microsoft 365 für die einzelnen Produkte bereitgestellt wird. Diese Dokumentation habe die DSK aber nicht in die Betrachtung einbezogen.
Die Auffassung von Microsoft ist aus der Sicht eines weltweit agierenden Herstellers einer komplexen Infrastruktur durchaus nachvollziehbar. Denn wie sollen die geforderten detaillierten Dokumentationen auf vertraglicher Ebene laufend mit einer Vielzahl von Produkten und tausenden Updates stets aktuell gehalten werden? Verlangt Art. 5 Abs. 2 DSGVO wirklich diese Vorgehensweise?
Die beiden Positionen sind schwer vereinbar. Denn tatsächlich ist der Umfang der Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO so lange schwer greifbar, bis dieser durch gerichtliche Entscheidungen oder zumindest durch eine einheitliche europäische Sicht der Aufsichtsbehörden konkretisiert ist. Diese Chance hat die DSK nicht genutzt, denn die Klärung durch den Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) für diese praktisch hoch relevante Frage unterblieb.
Dennoch ist eines klar: Die Rechenschaftspflicht kann von den Verwendern von Microsoft 365 selbst erfüllt werden. Dies ist zwar mit Aufwand verbunden, unter Zuhilfenahme der Dokumentation von Microsoft aber durchaus möglich.
2. Die „eigenen Zwecke“
Als zweiten Punkt beanstandet die DSK, dass Microsoft bestimmte Verarbeitungen „zu eigenen Zwecken“ auf das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO stütze. Dies mache den Einsatz für Behörden unmöglich, da diese Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSGVO für diese ausgeschlossen sei.
Die Kritik der DSK entzündet sich dabei an Verarbeitungen, die Microsoft unter Verwendung der Daten des Auftraggebers durchführt, ohne dass dieser Gegenstand der Leistungserbringung sind. Dabei handelt es sich um sehr unterschiedliche (Weiter-)Verarbeitungen wie etwa die Verwendung von Daten für Abrechnungszwecke, Sicherheitsmaßnahmen, Finanzreportings oder die Zahlung von Provisionen an Mitarbeiter und Partner.
Diese Verarbeitungen sind – zunächst einmal losgelöst von ihrer rechtlichen Einordnung unter der DSGVO – typische und nachvollziehbare, wenn nicht sogar zwingende Tätigkeiten eines wirtschaftlich tätigen Unternehmens (z.B. Controlling, Abrechnung oder Finanzberichterstattung) bzw. dienen dem Schutz auch der Nutzer (z.B. durch Angriffserkennung).
Bemerkenswert ist dabei, dass – wie die DSK selbst hervorhebt - die genannten Zwecke von Microsoft nach Abstimmung mit der niederländischen Regierung in das Vertragswerk aufgenommen wurden. Weil dieser Abstimmungsprozess aber intransparent gewesen sei und im Widerspruch zu den Prüfungsmaßstäben der DSK und auch des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDPS) stünde, sei er abzulehnen. Auch den Ansatz der französischen Aufsichtsbehörde CNIL - die Durchführung einer Kompatibilitätsprüfung - verwirft die DSK. Offenbar besteht hier zwischen den Aufsichtsbehörden ein erheblicher Dissens.
Bedauerlicherweise hat sich die DSK – auch mangels technischer Prüfung - nicht näher damit beschäftigt, in welchem Maße hier eine Datennutzung durch Microsoft tatsächlich erfolgt. Microsoft gibt im DPA an, hier das Gebot der Datensparsamkeit einzuhalten und insbesondere keine Profilbildung, Nutzung für Werbezwecke oder andere Zwecke vorzunehmen.
Die Auffassung der DSK erscheint jedenfalls fragwürdig. Warum soll für die inzwischen von Microsoft relativ eng eingegrenzten Zwecke das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 Satz lit. f DSGVO keine Grundlage bieten? Es ist insbesondere unklar, ob in einem solchen Auftragsverhältnis das berechtigte Interesse des Auftraggebers oder das des Auftragnehmers maßgeblich ist und inwieweit hier z.B. die von der CNIL offenbar angewendete Kompatibilitätsprüfung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO zur Rechtfertigung genutzt werden kann. Dies bedürfte einer grundlegenden und europaweiten Klärung.
In dieser Richtung gibt einen Lichtschein am Horizont. Denn der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat am 18. Januar 2023 eine „koordinierte Durchsetzungsmaßnahme zur Nutzung von Cloud-basierten Diensten durch den öffentlichen Sektor“ veröffentlicht. Die ESDA will mit ihren „koordinierten Durchsetzungsmaßnahmen“ die Durchsetzung der Aufsichtsbehörden „streamlinen“. Sie hat zu diesem Zwecke eine Analyse der Entscheidungen der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten vorgenommen, darunter auch die Festlegung der DSK. Es zeigt sich dabei, dass die Ansicht der DSK tatsächlich nur eine der vielen Auffassungen der Aufsichtsbehörden in Bezug auf Cloud-basierte Lösungen ist. Das Dokument gibt den öffentlichen Auftraggebern eine Reihe von Empfehlungen bei der Auswahl, Vertragsgestaltung und Dokumentation. Eine grundsätzliche Missbilligung der Nutzung von Microsoft 365 erfolgt durch die EDSA nicht. Microsoft wird weder genannt noch die werden die Anforderungen der DSK im Einzelnen wiederholt. Auch dies verdeutlicht, dass die DSK eine Auffassung innerhalb der Gruppe der Aufsichtsbehörden vertritt.